Donnerstag, 21. Februar 2013

Herbst





Wo beginnen? Vielleicht an dem Punkt an dem ich vor Jahren meinen ersten blog erstellte...


Einer der vielen Gründe warum ich heute beginne diesen blog zu schreiben, ist wahrscheinlich die Tatsache, daß ich vor ein paar Tagen zum x-ten mal eine dieser Hochglanzbroschüren in den Händen gehalten habe. Eine jener Broschüren, die immer in den Wartezimmern der Neurologen herumliegen. Vermutlich war ihr ursprünglicher Sinn der, daß sich mit Lektüre zum einen die unvermeidliche Wartezeit kurzweiliger gestaltet, und man sich zum anderen dabei gleich noch ein paar nützliche Informationen zum Thema MS anlesen kann.
Beides funktioniert bei mir nicht - obwohl - so richtig langweilig ist mir auch nicht nachdem ich eines dieser Heftchen in die Finger bekommen habe.

An schlechten Tagen (vielleicht sind es auch die guten), also an schlechten Tage kann ich diese Heftchen durchblättern und staunend den Kopf schütteln, weil ich mich immerzu frage, was diese Broschüren eigentlich mit mir zu tun haben sollten.
Da sind diese Bilder von meist recht hübschen. meist lächelnden Frauen mit dunkelblonden Haaren, denen oft ein meist hübscher, meist ebenso lächelnder Mann stützend und beschützend die starken Hände auf die Schultern legt. Wahlweise hält er die Frau auch an der Hand. Seite an Seite laufen sie über eine Sommerwiese...
Ein paar Seiten weiter sitzt eine dieser Frauen auf der Kante eines mit tadellos gebügelter Wäsche bezogenen Bettes, lächelt so milde als könnte der der ganze Irrsinn dieser Welt sie nie erreichen, und setzt dabei einen Autoinjektor auf ihren makellosen Oberschenkel.

Die Informationen, die ich im Augenblick brauchen würde finde ich in diesen Broschüren nicht. Wenn ich lächle, dann oft mit einer Spur Sarkasmus im Blick, Auf meinen Schultern liegen keine starken Hände, meine Haare sind rabenschwarz - und was meine Oberschenkel angeht... nun darüber schweige ich lieber...

Ja, denke ich, aber du bist eine von vielen und es könnte ja sein, daß irgendwer vielleicht diese Broschüren mit einem anderen Blick ansieht. Ja, denke ich, und mit dem festen Vorsatz meiner Umwelt (und Informationsbroschüren) gegenüber langmütiger zu werden lege ich das Heftchen beiseite.
Draußen vor den Fenstern leuchtet herbstbuntes Laub im pastellfarbenen Licht. Seltsam das ich den Herbst immer noch so sehr mag, obwohl ich mit dieser Jahreszeit meinen ersten schweren MS-Schub verbinde. Einen Wendepunkt in meinem Leben. Einer von vielen.

1993 hatte ich kurz hintereinander drei Sehnerventzündungen. Die Verdachtsdiagnose stand im Raum, jedoch war das MRT bis auf die Sehnerven ohne Befund und die Lumbalpunktion ebenfalls.
Zehn Jahre vergingen in denen ich das Wort Multiple Sklerose fast wieder vergaß. Das kurze Kribbeln mal hier mal da, schob ich auf Überarbeitung und auf meine maroden Bandscheiben.
Im Oktober 2003 holte mich ein Querschnittssyndrom binnen einer Woche von den Beinen und nun stand auch das MS-Wort wieder im Raum. Und für mich begann ein in jeder Hinsicht unvergeßlicher Herbst...

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